Die Kapuzineraffen, heimisch in Mittel- und Südamerika, sind mit den Menschen nicht besonders eng verwandt. Wir sind Primaten der Alten Welt – näher verwandt mit Schimpansen, Orang-Utans und sogar Pavianen.

Trotzdem können wir viel von den Kapuzineraffen lernen. Sie sind die klügsten und intelligentesten Affen Amerikas. Und sie haben viele Eigenschaften selbstständig entwickelt, wie z. B. den Einsatz von Werkzeugen, die einst als typisch menschlich galten.

Woran liegt das? Dafür gibt es viele Gründe, doch vor allem einer davon sollte alle Eltern interessieren. Wie Menschen in zahlreichen Kulturkreisen sind Kapuzineraffen bemerkenswert geduldig bezüglich jugendlicher Neugierde.

Ähnlichkeiten zwischen Kapunzineraffen und Menschen

Die UCLA-Anthropologin Susan Perry beobachtet wilde Kapuzineraffen seit fast 20 Jahren – seit sie das Lomas Barbudal Capuchin Monkey Project in Costa Rica gründete. Sie hat die Affen vom Säuglings- bis zum Erwachsenenalter beobachtet und beobachtet, was die Jungtiere lernen, wenn sie heranwachsen. Dabei haben sie und ihre Kolleg:innen einige bemerkenswerte Ähnlichkeiten zwischen Kapuzineraffen und Menschen festgestellt.

Diese intelligenten, sozialen Affen

benutzen Werkzeuge, um an Nahrung zu gelangen. Wie der Mensch sind Kapuzineraffen Omnivoren, und viele ihrer Nahrungsmittel müssen verarbeitet werden, z. B. durch Hämmern, Aufbrechen oder Schleifen. Um ein effektiver Sammler zu sein, muss ein junger Kapuzineraffe lernen, wie er mit jeder Art von Nahrung umgehen kann. In manchen Fällen benutzen Kapuzineraffen sogar Werkzeuge wie einen Hammer, um eine Nuss oder einen Samen zu öffnen.

teilen. Experimente zeigen, dass Kapuzineräffchen eigenständig Süßigkeiten mit ihren vertrauten Gruppenmitgliedern teilen. Auch in freier Wildbahn teilen Kapuzineraffen ihr Futter und zeigen dabei häufiger soziale Verhaltensweisen als Schimpansen.

nutzen die „Kita“. Nach der Geburt eines Kapuzineräffchens konkurrieren die Gruppenmitglieder darum, wer sich um das Baby kümmert und es begutachtet und anfasst, wann immer die Mutter es erlaubt. Sobald die Jungtiere selbstständiger werden, beginnen sie selbst diese Interaktionen. Die „Babysitter“ übernehmen sich bis zu 9 % der Zeit dasTragen der Jungtiere. Und Jungtiere werden regelmäßig von anderen Weibchen gestillt.

… bilden Freundschaften, Allianzen und Cliquen. Kapuzineraffen schließen nicht nur Freundschaften. Sie wissen auch etwas über die Freundschaften anderer Affen. Stell dir zum Beispiel folgendes Szenario vor: Du bist kurz davor, in einen Streit zu geraten. Du schaust dich um, ob es in deiner Nähe jemanden gibt, der dir helfen wird. Wen bittest du um Hilfe? Vielleicht wählst du den nächstbesten Kumpel. Doch was, wenn diese Person auch mit deinem Gegner befreundet ist? Kapuzineraffen scheinen sich über diese Problematik Gedanken zu machen. In einer Analyse von 110 echten Kämpfen zwischen Kapuzineraffen haben Forschende festgestellt, dass die Affen sich nicht einfach ihre besten Freunde aussuchen. Vielmehr holen sie sich Hilfe von Individuen, mit denen sie besser befreundet sind als ihre Gegner.

… lernen zu kommunizieren. Wenn ein Kapuzineraffe heranwächst, muss er verschiedene „Worte“ lernen, die die Gruppe vor Raubtieren warnen. Ein Laut scheint zu bedeuten: „Pass auf, das ist ein gefährlicher Vogel!“ Andere Laute beziehen sich auf gefährliche Menschen, Katzen oder Schlangen. Es ist ziemlich klar, dass Affen diese Bedeutungen lernen müssen, denn Kinder machen Fehler. Etwa 20 % der Warnrufe von Jungtieren werden als Reaktion auf falsche Tiere abgegeben. Je älter die Kinder werden, desto genauer werden ihre Warnrufe.

Eltern erkennen auch andere Verhaltensweisen wie das Zupfen an der Brustwarze. Ein Kapuzineräffchen trinkt beim Stillen nicht nur Milch. Er bereitet auch die andere Brustwarze vor, indem er sie mit seiner Hand knetet. Das regt die Milchproduktion an und scheint eine beruhigende Wirkung zu haben.

Aber eine der überraschendsten Entdeckungen betrifft soziale Gepflogenheiten.

Das Schnüffeln am Finger

Perry und ihre Kollegen haben herausgefunden, dass einige wilde Gruppen von Kapuzineraffen seltsame soziale Rituale haben, wie z. B. das „Schnüffeln an Fingern“, bei dem ein Affe seinen Finger über – oder in – die Nase eines anderen Affen schiebt.

Das ist nicht nur eine zufällige Handlung. Beim Schnüffeln sind die sonst so ungestümen Affen sehr ruhig und gelassen, manchmal bis zu zehn Minuten lang. Die Affen schnüffeln eher an den Fingern ihrer bevorzugten Pflegepartner, wobei die Partner in der Regel beide Rollen spielen, indem sie sich abwechseln oder ihre Finger gleichzeitig in die Nasenlöcher des anderen stecken.

Perry vermutet, dass diese Handlungen so funktionieren wie viele menschliche Verhaltensweisen: Sie sind eine Gelegenheit, die Beziehung zueinander zu demonstrieren.

Voneinander lernen

Es scheint, dass Kapuzinerbabys eine Menge zu lernen haben – über den Gebrauch von Werkzeugen, über Politik, Raubtiere und soziale Beziehungen. Müssen sie das alles alleine lernen oder bekommen sie ein wenig Hilfe von ihren Artgenossen?

Für Menschen ist Kultur eine Selbstverständlichkeit. Kinder müssen nicht jede Generation das Rad neu erfinden. Sie lernen von uns. Haben auch Kapuzineraffen die Fähigkeit zur Kultur entwickelt? Perry glaubt, dass sie das tun.

Kapuzineraffen öffnen zum Beispiel die essbaren Samen der Luehea-Frucht auf zwei Arten – durch Klopfen oder Reiben. Beide Methoden sind gleich effektiv, doch junge Affen entscheiden sich irgendwann für eine Technik – nämlich für die, bei der sie andere Affen am häufigsten beobachtet haben.

Diese Erkenntnisse werden durch Experimente mit Kapuzineraffen in Gefangenschaft bestätigt. In einer Studie stellten die Forschenden einem Kapuzineraffen eine Kiste vor, die auf zwei Arten geöffnet werden konnte – durch Anheben oder Schieben einer Tür. Der Affe wurde darauf trainiert, mit nur einer Methode Futter aus der Kiste zu holen. Dann wurde er mit einem ahnungslosen Affen zusammengebracht, der die Kiste noch nie gesehen hatte.

Obwohl er die Kiste nach Belieben öffnen konnte, zeigte der ahnungslose Affe eine starke Vorliebe für die Methode des Affen. Als der Beobachter anschließend mit einem anderen „neuen“ Affen zusammengebracht wurde, bevorzugte auch dieser Neuling die Methode, die er vorgeführt bekam. Auf diese Weise verbreiteten die Kapuzineraffen eine „Tradition“ entlang einer Reihe von bis zu 5 Beobachtern.

Es scheint also, dass Kapuzineraffen tatsächlich so etwas wie erlernte Verhaltensweisen vermitteln, die von Affe zu Affe weitergegeben werden. Es scheint sogar, dass Kapuzineraffen „von den Besten lernen“. Eine Studie über das Nussknacken – bei dem wilde Kapuzineraffen Steine benutzen, um Nüsse zu öffnen – ergab, dass Jungtiere eher den geschicktesten Nussknackern zuschauten.

Konvergente Evolution und soziale Toleranz

Warum sind Kapuzineraffen also den Menschen ähnlich?

Warum ist der Kapuzineraffe dem Menschen so ähnlich? Einige Ähnlichkeiten erklären sich durch unsere gemeinsame Abstammung. Es ist zum Beispiel wahrscheinlich, dass Babys von Säugetieren schon seit Millionen von Jahren die Brustwarzen ihrer Mütter kneten.

Aber der letzte gemeinsame Vorfahre von Menschen und Kapuzineraffen lebte vor über 30 Millionen Jahren. Er war kleinhirnig und ähnelte eher den Lemuren.

Viele Gemeinsamkeiten – wie große Hirne, die Nutzung von Werkzeugen und eine hohe soziale Intelligenz – waren beim letzten gemeinsamen Vorfahren von Kapuzineraffen und Menschen wohl noch nicht vorhanden.

Stattdessen entwickelten sich diese Merkmale unabhängig voneinander, nachdem sich unsere Abstammungslinien getrennt voneinander weiterentwickelt hatten – wie zwei separate Experimente mit ähnlichen Resultaten.

Dieses Phänomen wird als konvergente Evolution bezeichnet und macht Kapuzineraffen besonders interessant. Denn Fälle von konvergenter Evolution ermöglichen es uns, Hypothesen über die Voraussetzungen zu testen, die für die Entwicklung bestimmter Merkmale nötig sind. Was ist der gemeinsame Nenner, der jeden Fall verbindet?

Wie lässt sich zum Beispiel die Entwicklung des Einsatzes von Werkzeugen erklären? Ein Blick auf den Stammbaum der Primaten zeigt, dass sich die Fähigkeit, Werkzeuge zu nutzen, mindestens dreimal entwickelte – einmal bei den Menschenaffen (zu denen Menschen und Schimpansen gehören), einmal bei Pavianen und ihren nächsten Verwandten (den Cercopithecinen) und einmal bei Kapuzineraffen.

Was haben die Primaten, die Werkzeuge nutzen, gemeinsam? Sie sind alle sehr geschickt. Und sie neigen dazu, Nahrung zu essen, die entnommen oder aufgehebelt werden muss.

Die häufigsten Nutzer von Werkzeugen haben aber noch etwas anderes gemeinsam – etwas, das weniger offensichtlich ist: Sie sind sozial taktvoll.

Stell dir Folgendes vor: Ein Affe erfindet ein neues Werkzeug oder einen neuen Weg, um an Nahrung zu kommen. Lernt jemand anderes den neuen Trick?

Damit Tiere voneinander lernen können, müssen sie nah genug aneinander herankommen, um zu sehen, was vor sich geht. Und das können sie nicht, wenn alle angespannt, nervös oder unfreundlich sind.

Deshalb haben Forschende wie Carel van Schaik argumentiert, dass soziale Toleranz eine Voraussetzung für den sozial übertragenen Werkzeuggebrauch ist.

Der Gebrauch von Werkzeugen ist häufiger bei Primaten anzutreffen, die „entspannt“ sind, bei denen die dominanten Individuen nachsichtiger gegenüber den Untergebenen sind, bei denen sich die Individuen nach Konflikten versöhnen und bei denen die Erwachsenen den Jungen erlauben, sich ihnen zu nähern und zu beobachten, was sie tun.

Kapuzineraffen passen gut in dieses Schema. Obwohl sie in der Lage sind, Gewalt auszuüben, sind sie auch sehr tolerant gegenüber neugierigen Jungtieren. Und die Jungen sind in der Tat sehr neugierig. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Jungtiere neben einem Erwachsenen sitzen, der Nahrung vorbereitet, und dabei ihre Augen auf das Geschehen richten. Sie beobachten mit großer Begeisterung, wie der Erwachsene arbeitet – eine gute Möglichkeit, die Technik zu beobachten.

Gilt das auch für Menschen? Anscheinend schon. Eine aktuelle Analyse von mehr als 80 Jahren Forschung zum Lernen in der Schule zeigt, dass Kinder in einer kooperativen, nicht wettbewerbsorientierten Atmosphäre besser lernen. Vielleicht ist es also die soziale Toleranz, die unseren Vorfahren – und den Vorfahren von Affen, Pavianen und Kapuzineraffen – einen Vorteil verschafften.

Bildquelle: https://unsplash.com/photos/QrSZQLHf6Wk

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