Studien verbinden Religiosität mit positiven Auswirkungen auf die Gesundheit, aber das bedeutet nicht, dass wir durch Religion gesund werden. Wahrscheinlicher ist, dass Religion eine der vielen Wege ist, wie Menschen soziale und emotionale Unterstützung finden und ein Gefühl für ihren Zweck und den Sinn des Lebens erhalten.

Seit Jahrzehnten gibt es Studien, die einen Zusammenhang zwischen guter Gesundheit und der Ausübung einer Religion belegen.

Einige Studien scheinen unumstritten zu sein. Wer würde bestreiten, dass bestimmte religiöse Praktiken – wie Rauchverbote – die Gesundheit schützen? Oder dass viele Menschen aus ihrem Glauben ein Gefühl des Trostes schöpfen? Oder dass Religion Menschen hilft, Stress zu bewältigen?

Noch umstrittener ist die Vorstellung, dass Religion an sich oder in einzigartiger Weise der Gesundheit und dem Wohlbefinden eines Menschen nützt.

Die Vorstellung, dass der Glaube Menschen gesundheitlich begünstigt. Dass Gebete heilen. Dass rituelle Gottesdienste eine direkte, schützende Wirkung gegen Krankheiten haben.

Mit diesen Behauptungen werden Familien dazu ermutigt, ihren Glauben zu leben. Manche Leute haben gar vorgeschlagen, dass Ärzte ihren Patienten religiöse Aktivitäten vorschreiben sollten.

Doch ist das wissenschaftlich überzeugend? Nicht unbedingt.

Denn die meisten Studien, die Religion mit Gesundheit und Wohlbefinden in Verbindung bringen, zeigen nur Zusammenhänge auf. Sie besagen nicht, dass religiöse Praktiken zu Gesundheit oder Glück führen.

Man könnte vermuten, dass die Ursache in die entgegengesetzte Richtung geht. Womöglich fällt es gesünderen Menschen leichter, sich an religiösen Veranstaltungen zu beteiligen. Eventuell sind zufriedenere Menschen stärker motiviert, religiöse Bindungen zu pflegen.

Zudem sollten wir bedenken, dass Religion mitunter schlechte Auswirkungen hat.

Wenn zum Beispiel Eltern über Glaubensfragen streiten, kann es sein, dass ihre Kinder leichter psychische Probleme entwickeln.

Doch nehmen wir an, dass bestimmte Aspekte der Religiosität zu einer besseren Gesundheit und Lebenszufriedenheit führen. Bedeutet das, dass es die Theologie oder die Rituale sind, die dafür sorgen, dass es den Menschen besser geht?

Nein. Wenn wir uns die vorhandenen Beweise ansehen, ist es wahrscheinlicher, dass es die emotionalen und sozialen Aspekte der Religion sind, die sich auf die Gesundheit auswirken.

Religion und psychische Gesundheit

Stell dir vor, wir befragen Tausende von 15-Jährigen und fragen sie, ob sie einmal pro Woche einen Gottesdienst besuchen.

Jahre später, wenn diese Jugendlichen das Erwachsenenalter erreichen, fragen wir sie erneut. Wie steht es um ihre psychische Gesundheit?

Die Forscher untersuchten zwischen 1999 und 2011 Tausende von Menschen – überwiegend weiße Amerikaner aus der Mittelschicht. Und sie fanden Folgendes heraus.

Erwachsene, die als Jugendliche mindestens einmal pro Woche einen Gottesdienst besuchten, bejahten Fragen wie

  • „Warst du im letzten Monat zufrieden, glücklich oder zufrieden mit deinem persönlichen Leben?“
  • „Hast du dich im letzten Monat entspannt und frei von Anspannung gefühlt?“

Diese Erwachsenen gaben auch seltener an, dass sie sich depressiv fühlten.

Die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen stand also mit einer besseren psychischen Gesundheit in Verbindung. Das Gleiche gilt für ein anderes Merkmal – dem Gebet oder der Meditation. Menschen, die als Jugendliche 1-6 Mal pro Woche beteten oder meditierten, berichteten als Erwachsene von positiveren Gemütszuständen und Strategien zur Verarbeitung von Gefühlen.

Doch warum wurde das religiöse Verhalten von Jugendlichen mit besseren psychologischen Werten in Verbindung gebracht?

Gebete und Meditationen beinhalten oft Gedanken der Dankbarkeit und diese steht in einem direkten Zusammenhang mit dem Wohlbefinden. Menschen, die mehr Dankbarkeit empfinden, haben tendenziell mehr gute Gefühle und fühlen sich seltener feindselig oder deprimiert.

Genauso können Gebet und Meditation die Gedanken auf Vergebung lenken, was bekanntermaßen positive Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden hat.

Möglicherweise ist dies der Grund, warum Gebet und Meditation mit besseren psychischen Leistungen in Verbindung stehen: Diese Aktivitäten enthalten eventuell Aspekte, zur wirksamen Erhaltung einer guten psychischen Gesundheit.

Was ist mit dem Gottesdienstbesuch? Warum sollte das mit einer besseren psychischen Gesundheit zusammenhängen?

Das ist schwer zu sagen, weil die Forscher keine Details sammelten. Ich halte es jedoch für sehr wahrscheinlich, dass die Vorteile des Gottesdienstbesuchs etwas mit der sozialen Unterstützung zu tun haben.

Um zu verstehen, was ich meine, sieh dir eine ältere Studie an, die einen nuancierteren Blick auf die religiöse Zugehörigkeit wirft.

Chaeyoon Lim und Robert Putnam analysierten Daten amerikanischer Erwachsener und fanden einen Zusammenhang zwischen dem Besuch von Gottesdiensten und der Selbsteinschätzung des Wohlbefindens.

Insbesondere gaben religiöse Besucher/innen häufiger an, „äußerst zufrieden“ mit ihrem Leben zu sein.

Der Effekt schien jedoch von den sozialen Bindungen und der Gemeinschaft abzuhängen.

Äußerst zufrieden zu sein war nicht mit einer größeren Gewissheit der eigenen religiösen Ansichten verbunden.

Sie stand auch nicht im Zusammenhang mit dem Beten oder der Durchführung von Andachten daheim.

Was wirklich wichtig zu sein schien, war eine Kombination von Faktoren:

  • eine starke religiöse Identität zu haben,
  • häufige Treffen mit einer Gemeinde und
  • enge Freunde in dieser Gemeinde zu haben.

Menschen, die alle drei Kriterien erfüllten, sagten öfter, sie seien mit ihrem Leben „äußerst zufrieden“.

Im Gegensatz dazu waren Gottesdienstbesucher, die keine engen Freunde in der Gemeinde hatten, nicht zufriedener als Menschen, die keine Gottesdienste besuchten.

Wie Lim in einer Veröffentlichung feststellt:

„Für mich bestätigen die Beweise, dass es nicht wirklich der Kirchgang und das Zuhören von Predigten oder das Beten sind, die die Menschen glücklicher machen, sondern die Tatsache, dass man in der Kirche Freunde findet und dort intime soziale Netzwerke aufbaut.“

Religiosität und gesundheitsschädliches Verhalten Jugendlicher

Nehmen religiöse Jugendliche seltener an gesundheitsschädlichen Aktivitäten wie Drogenkonsum teil? Die Beweise dafür sind nicht eindeutig.

Gehen wir zunächst zurück zu der Studie, die amerikanische Teenager bis ins junge Erwachsenenalter begleitet hat.

Die Forscher dieser Studie fanden Hinweise darauf, dass das religiöse Verhalten im Jugendalter ein Indikator für gesundheitsgefährdendes Verhalten im Erwachsenenalter ist. Vor allem Kinder, die mindestens einmal pro Woche einen Gottesdienst besuchten, konsumierten als Erwachsene seltener Cannabis oder illegale Drogen. Außerdem war die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie bereits in jungen Jahren Geschlechtsverkehr hatten. Die gleichen Zusammenhänge wurden für das Beten oder Meditieren einmal täglich festgestellt.

Allerdings bleibt der gleiche „Black Box“-Effekt(etwas das noch nicht mit wissenschaftlichen Mitteln nachgewiesen wurde). Die Studie kann uns nicht sagen, ob der wöchentliche Gottesdienstbesuch (oder das tägliche Gebet) junge Menschen vom Drogenkonsum oder frühem Sexualverhalten abhielt.

Interessanterweise standen diese Faktoren der Religiosität in keinem Zusammenhang mit Trinkgelagen. Mit anderen Worten: Religiöse Jugendliche hatten die gleiche Wahrscheinlichkeit wie nicht-religiöse Jugendliche, als Erwachsene Alkoholiker zu werden.

Das sind also die Ergebnisse einer Studie mit Blick auf das spätere Leben.

Wie sieht es mit dem Verhalten in der Jugendzeit aus?

Hält Religiosität Kinder davon ab, sich in ihren Teenagerjahren auf gesundheitsschädliches Verhalten einzulassen?

Forscher in Tschechien gingen dieser Frage nach, indem sie die Berichte von mehr als 13.000 Kindern im Alter zwischen 11 und 15 Jahren analysierten.

Besonders wichtig für uns ist, dass die Forscher nicht nur nach dem Besuch der Kirche oder anderen religiösen Aktivitäten gefragt haben. Sie baten die Kinder auch, ihre persönliche Wertschätzung ihres Glaubens zu bewerten. Dann befragten sie die Kinder zu vier Arten von gesundheitsschädlichem Verhalten – dem Rauchen von Zigaretten, dem Trinken von Alkohol, dem Konsum von Cannabis und dem Sexualverhalten.

Was fanden die Forscher heraus?

Erstens: Die Wichtigkeit des Glaubens eines Kindes hatte keinen offensichtlichen Einfluss auf gesundheitsschädliches Verhalten.

Es gab also keine Hinweise darauf, dass ein starker Glaube oder eine religiöse Ideologie die Kinder vom Rauchen, Trinken, Cannabiskonsum oder Sex abhält.

Zweitens: Der Kirchenbesuch eines Kindes hatte keinen offensichtlichen Einfluss auf gesundheitsschädliches Verhalten.

Kinder, die regelmäßig in die Kirche gingen, rauchten nicht seltener Zigaretten, tranken weniger Alkohol, konsumierten kein Cannabis oder hatten in jungen Jahren weniger Sexualkontakte.

Es gab nur einen offensichtlichen Vorteil, welcher die Religiosität von Jugendlichen begünstigte:

Besuchten Jugendliche regelmäßig die Kirche UND nahmen an zusätzlichen religiösen Aktivitäten teil (z. B. Singen im Kirchenchor), war die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie sexuelle Aktivitäten ausübten, als bei nicht religiösen Jugendlichen.

Beeinflusst die Religion Kinder auch, wenn sie sich auf ihre allgemeine Lebenseinstellung auswirkt? Eventuell.

In einer weiteren Studie mit Kindern in Tschechien entdeckten die Forscher das selbe Muster: Der Kirchenbesuch hatte keinen oder nur einen geringen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten. Kinder, die die Kirche besuchten, rauchten zwar seltener Zigaretten, aber sie waren nicht weniger anfällig für andere gesundheitsschädliche Verhaltensweisen. Nicht allein aufgrund des Kirchenbesuchs.

Allerdings waren die Ergebnisse bei Kindern anders, die den Gottesdienstbesuch mit starken Gefühlen von Spiritualität und Wohlbefinden verbanden (d.h. Aussagen wie „Ich fühle mich sehr erfüllt und zufrieden mit meinem Leben“ und „Ich sehe meine Zukunft positiv“ zustimmten).

Kinder, die häufig die Kirche besuchten UND diese Gefühle zum Ausdruck brachten, nahmen seltener Drogen. Sie hatten auch seltener frühen Geschlechtsverkehr.

In dieser Studie hatte die Religionszugehörigkeit an sich also keinen nennenswerten Einfluss auf die meisten gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen. Es war etwas weiteres nötig – das Gefühl von Sinn und Zuversicht im Hinblick auf die Zukunft.

Religion und alltägliche Gesundheitsbeschwerden bei Jugendlichen

Leiden religiöse Jugendliche seltener an alltäglichen körperlichen Beschwerden wie Kopf-, Magen- und Rückenschmerzen oder Schlafstörungen? Wieder einmal haben Forscher in Tschechien bei Tausenden von kleinen Jugendlichen (im Alter von 11 bis 15 Jahren) nachgeforscht.

Sie befragten die Kinder zu ihrer Gesundheit. Wie oft hatten sie Kopf-, Magen- und Rückenschmerzen, Schlafprobleme und andere stressbedingte Probleme?

Sie fragten die Kinder auch wie oft sie zum Gottesdienst gehen. Und sie baten die Kinder, ihre Zustimmung zu bestimmten Aussagen über ihr Wohlbefinden zu bewerten.

Die Aussagen über das religiöse Wohlergehen bezogen sich ausdrücklich auf Gott. Ein Kind würde zum Beispiel seine Zustimmung zu dieser Aussage geben:

„Ich habe eine persönliche Beziehung zu Gott.“

Im Gegensatz dazu konzentrierten sich die Aussagen zum existenziellen Wohlbefinden auf die Hoffnung für die Zukunft und den Sinn des Lebens:

„Ich glaube, dass mein Leben einen wirklichen Sinn hat.“

Nachdem die Forscher diese Antworten erhalten hatten, suchten sie nach Zusammenhängen zwischen Gesundheitsbeschwerden, Religiosität und den beiden Messwerten für das Wohlbefinden.

Und was fanden sie heraus?

  • Der Besuch von Gottesdiensten stand in keinem nennenswerten Zusammenhang mit Gesundheitsvariablen.
  • Religiöses Wohlergehen war mit Ausnahme von Nervosität mit keiner der Gesundheitsvariablen bedeutsam in Zusammenhang zu bringen. Kinder, die beim religiösen Wohlbefinden gut abschnitten, litten eher unter Nervosität.
  • Nicht-religiöses, „existenzielles“ Wohlbefinden stand in erheblichem Zusammenhang mit allen Gesundheitsvariablen und zwar in positiver Weise. Kinder, deren existenzielles Wohlbefinden gut war, litten seltener unter Kopf-, Magen- und Rückenschmerzen, Schlafproblemen und Nervosität.

Bedeutet das, dass religiöse Menschen im Unrecht sind, wenn sie glauben, dass ihr Glaube sie heilt?

Nein. Religionen geben den Gläubigen einen Sinn und wie wir bereits festgestellt haben, können bestimmte religiös unterstützte Verhaltensweisen (wie Vergebung und Dankbarkeit) die Gesundheit und das Wohlbefinden fördern.

Die Zugehörigkeit zu einer Religion kann Menschen auch ein unterstützendes soziales Netzwerk bieten.

Aber auch außerhalb der Religion können Menschen Sinn finden – und gesunde Bewältigungsstrategien entwickeln. Sie können soziale Unterstützung bei Menschen finden, die sich selbst nicht als religiös bezeichnen.

Es ist also noch unklar, ob die Zugehörigkeit zu einer Religion Menschen gesünder oder glücklicher macht als die Teilnahme an anderen Aktivitäten. Nicht, wenn diese Aktivitäten häufige soziale Kontakte, emotionale Unterstützung, Freundschaft und ein Gefühl von Sinn bieten.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/hande-menschen-frau-kirche-9577192/

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