Manche Forscher nennen die Idee, dass wir unseren Schlafzyklus und andere Tagesrhythmen verbessern können, indem wir das Timing unserer Mahlzeiten anpassen, „Chrono-Ernährung“.

Einige Nahrungsbestandteile machen uns beispielsweise wacher, während uns andere schläfrig machen. Und wie sieht es hierbei mit Muttermilch aus? Sie kann beides bewirken, je nachdem, wann sie produziert wird.

Aus diesem Grund sollte es eigentlich zum Standardverfahren werden, dass Mütter, die Milchpumpen benutzen und ihre Muttermilch aufbewahren sich die Tageszeit notieren, an der sie ihre Milch abpumpten. Wenn sie ihre Babys nachts füttern, sollten sie nur Milch verwenden, die sie nach Einbruch der Dunkelheit produzierten.

Und wenn Eltern Säuglingsmilch verwenden? Möglicherweise verwenden sie je nach Tageszeit leicht unterschiedliche Zubereitungen, um die natürlichen Veränderungen in der Muttermilch nachzuahmen.

Die Rolle von Melatonin

Warum genau könnte das eine gute Idee sein? Zum Teil hat das mit dem Schläfrigkeitshormon Melatonin zu tun.

Ein Beispiel lässt sich in einer Studie mit fünf stillenden Müttern in Israel finden.

Die Forscher verfolgten die Veränderungen in der Muttermilch innerhalb von 24 Stunden, wobei sie die Milch alle zwei Stunden überprüften. Die Forscher maßen insbesondere den Melatoninspiegel, also das Hormon, das uns nach Einbruch der Dunkelheit schläfrig macht.

Gab es Unterschiede zwischen der Milch, die tagsüber abgepumpt wurde, und der Milch, die am Abend abgepumpt wurde?

Ja, und die Forscher fanden dabei Hinweise auf einen klaren, zirkadianen Rhythmus: Milch, die nachts produziert wurde, enthielt eine höhere Konzentration von Melatonin.

Spätere Untersuchungen haben diese Ergebnisse bestätigt.

In einer Studie mit 21 stillenden Müttern in Deutschland stellten die Forscher nicht nur fest, dass der Melatoninspiegel nachts höher war. Sie waren sogar bis zu fünfmal höher als tagsüber.

Auch in China haben Forscher/innen dramatische Veränderungen über einen Zeitraum von 24 Stunden dokumentiert.

Yishi Qin und ihr Team untersuchten die Muttermilch von 98 stillenden Müttern und verglichen die Melatoninwerte der Milch um 15 Uhr, 21 Uhr und 3 Uhr morgens.

Im Durchschnitt war der Melatoninspiegel um 21 Uhr fast dreimal so hoch wie der Melatoninspiegel um 15 Uhr. Und die abgepumpte Muttermilch mitten in der Nacht? Um 3 Uhr morgens?

Zu diesem Zeitpunkt war der Melatoningehalt am höchsten – fast 10-mal höher als der Melatoningehalt der Milch, die am Nachmittag abgepumpt wurde.

Das Stresshormon Cortisol

Neben den Schwankungen des Melatoninspiegels gibt es auch Hinweise auf eine schwankende Konzentration des Stresshormon Cortisol: Es erreicht in der Muttermilch am Morgen höchste Konzentrationen.

Cortisol trägt dazu bei, dass wir uns wach fühlen, und es ist möglich, dass Babys je nach Zeitpunkt der Muttermilchproduktion einen Cortisolschub erhalten.

Der Cortisolspiegel in der Muttermilch am Morgen ist etwa viermal so hoch wie am Abend (gegen 18 Uhr). Und sie sind etwa doppelt so hoch wie die Werte in Milch, die in der Nacht abgepumpt wurde.

Gibt es Unterschiede zwischen der Milch, die tagsüber und der Milch, die abends produziert wird? In der Tat, und die Forscher fanden Hinweise auf einen klaren Tagesrhythmus. Die nachts produzierte Milch enthielt höhere Melatoninwerte. Es ist allerdings noch nicht klar, ob der schwankende Melatoningehalt in der Muttermilch den Schlafrhythmus des Babys beeinflusst. Zukünftige Studien könnten hierauf Antworten liefern.

Die Rolle von Tryptophan

Tryptophan ist in der Muttermilch enthalten und der Körper verwendet sie zur Herstellung von Melatonin. Wie Melatonin steigt und fällt auch der Tryptophanspiegel gemäß des zirkadianen Rhythmus, wobei die Konzentrationen nachts am höchsten sind.

Steigt der Melatoninspiegel von Babys, welche Tryptophan in der Muttermilch zu sich nehmen, an? Dafür gibt es einige Hinweise.

Javier Cubero und seine Kollegen untersuchten 8 ausschließlich gestillte Babys und verfolgten die Veränderungen in der Muttermilch ihrer Mütter und den Melatoninspiegel der Säuglinge. Außerdem beobachteten sie eine Kontrollgruppe von 8 Säuglingen, die Säuglingsmilch tranken.

Alle Babys waren etwa 12 Wochen alt und tranken nach dem gleichen Zeitplan – und zwar alle 4 Stunden. Es gab aber einen Unterschied zwischen den Gruppen. Bei gestillten Säuglingen erreichte der Melatoninspiegel einige Stunden nach dem mütterlichen Tryptophanspiegel seinen Höhepunkt. Bei Säuglingen, die Säuglingsmilch tranken, erreichte der Melatoninspiegel seinen Höhepunkt erst viel später, und die Babys schliefen nachts deutlich kürzer.

Hat Tryptophan in der Muttermilch also Auswirkungen auf den Melatoninrhythmus und das Schlafverhalten?

Das ist unklar. Möglicherweise war der Zusammenhang zwischen dem mütterlichen Tryptophan und dem Schlafverhalten des Babys willkürlich. Und selbst wenn das nicht der Fall ist, können wir uns nicht sicher sein, dass es eine ursächlichen Zusammenhang gibt.

Möglicherweise könnte etwas anderes als das Tryptophan der Mutter erklären, warum gestillte Babys sich unterscheiden. Zum Beispiel könnte es sein, dass gestillte Babys mehr Hautkontakt hatten, was ihren Stresspegel senkte und ihnen den Schlaf erleichterte. Oder die stillenden Mütter in dieser Studie setzten ihre Babys eher natürlichen Lichtverhältnissen aus, was ihnen bei der Anpassung des Tagesrhythmus half.

Deshalb ist eine Studie von Sara Aparicio und Kollegen interessant. Die Forscher untersuchten die Effekte von Tryptophan in einem Doppelblindversuch mit Säuglingen, die mit Säuglingsmilch ernährt wurden.

Es gab drei Gruppen mit unterschiedlichen Bedingungen:

  • In der Testgruppe bekamen die Babys tagsüber normale Säuglingsmilch und nachts eine mit Tryptophan angereicherte Säuglingsmilch.
  • In der Kontrollbedingung 1 bekamen die Babys Tag und Nacht Standardnahrung.
  • In der Kontrollbedingung Nr. 2 bekamen die Babys tagsüber (6 bis 18 Uhr) Tryptophan-angereicherte Säuglingsmilch und nachts (18 bis 6 Uhr) normale Säuglingsmilch.

Nach einer Woche mit der nächtlichen Tryptophan-Kur zeigten die Babys in der Testgruppe Verbesserungen in ihrem Schlafverhalten. Bei den Babys in den Kontrollgruppen war dies nicht der Fall.

Es scheint also, dass eine höhere Tryptophankonzentration am Tag dazu beiträgt, dass junge Babys besser schlafen.

Andere schlaffördernde Inhaltsstoffe?

Melatonin und Tryptophan sind nicht die einzigen Inhaltsstoffe in der Muttermilch, die mit Schlaf in Verbindung stehen. Cristina Sanchez und ihre Kolleginnen und Kollegen stellen fest, dass verschiedene Nukleotide – wie 5’UMP, 5’AMP und 5’GMP – entweder die Schläfrigkeit fördern oder zur Regulierung des Tagesrhythmus beitragen.

Diese Nukleotide sind auch in der Muttermilch enthalten. Ändern sich ihre Konzentrationen in der Muttermilch über einen Zeitraum von 24 Stunden? Die Forscher baten 30 Frauen, ihre Muttermilch zu verschiedenen Tageszeiten abzupumpen. Anschließend wurde die Milch analysiert.

Die Konzentrationen der Nukleotide in der Muttermilch änderten sich tatsächlich über einen Zeitraum von 24 Stunden.

So stieg zum Beispiel die Konzentration von 5’UMP, das eine beruhigende Wirkung hat, mitten in der Nacht an.

Und 5’AMP, das schläfrig macht, hatte seine höchste Konzentration in der Muttermilch, die am frühen Abend produziert wurde.

Können wir davon ausgehen, dass Nukleotide in der Muttermilch Babys dabei helfen, nachts einzuschlafen – und zu schlafen?

Um das zu beantworten, brauchen wir ein weiteres Experiment wie jenes, welches das Team von Sara Aparicio mit Babys durchgeführt hat, die Säuglingsmilch tranken. Es wurden bereits einige Experimente durchgeführt, aber sie betrafen Lebensmittel, die sowohl mit Tryptophan als auch mit schlaffördernden Nukleotiden angereichert waren. Daher wissen wir nicht, welche Wirkung die Nukleotide eigenständig gehabt haben könnten.

Bedeutet dies, dass „falsch getimte“ Milch das Verhalten eines Babys beeinflussen könnte?

Um diese Frage zu beantworten, sind weitere Studien nötig, und die Sachlage ist sicherlich sehr komplex, da viele Faktoren eine Rolle spielen könne. Wie Jennifer Hahn-Holbrook und ihre Kolleginnen und Kollegen festgestellt haben, ist es allerdings eine durchaus plausible Annahme.

Studien an Tieren bestätigen, dass das Melatonin in der Muttermilch „die Darmbarriere schnell überwindet und in viele Gewebe, einschließlich Leber, Niere und Gehirn, gelangt“.

Es ist auch klar, dass Glukokortikoide (wie Cortisol) aus der Muttermilch in das Gehirn von jungen Nagetieren gelangen können, und es gibt guten Grund zur Annahme, dass dies auch beim Menschen der Fall sein könnte.

Es ist also naheliegend zu vermuten, dass der Zeitpunkt der Milchproduktion einen Unterschied machen könnte. Er kann sich auf das Verhalten des Babys auswirken, und das nicht nur in den Minuten oder Stunden nach dem Stillen.

Hahn-Holbrook und ihre Kolleginnen und Kollegen weisen darauf hin, dass eine regelmäßige Ernährung mit „falsch getimter Milch“ die Entwicklung des Tagesrhythmus eines Babys stören und zu Schlafproblemen beitragen kann. Auch die Reaktion des Babys auf Stress kann sich dadurch verändern.

Die guten Neuigkeiten? Wenn falsch getimte Milch wirklich Probleme verursacht, sind diese leicht zu beheben. Wir müssen nur auf die Tageszeit achten, zu der wir Milch abgepumpen, und es vermeiden, unseren Babys eine zeitlich nicht abgestimmte Milch zu geben.

Bildquelle: https://www.freepik.com/free-photo/newborn-baby-girl-sleeping-blue-sheets-home_2788665.htm

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