Stillen ist zwar etwas Natürliches, passiert aber nicht automatisch.

Nachfolgend einige Tipps für stillende Mütter, die auf Forschungen von Stillexperten, Anthropologen und Sozialwissenschaftlern basieren.

1. Lass dich nicht vom Mythos des instinktiven Stillens täuschen: Stillen ist eine Fähigkeit, die gelernt werden muss – von Müttern und Babys

Man kann davon ausgehen, dass effektive Techniken zum Stillen irgendwie in das menschliche Gehirn „einprogrammiert“ sind. Wie sonst hätten unsere Vorfahren überleben können?

Doch wenn du einen Blick auf unsere engsten lebenden Verwandten – andere Primaten – wirfst, stellst du fest, dass Mütter, die das erste Mal stillen, weniger kompetent sind und es ihnen manchmal sogar sehr schwer fällt.

Das gilt vor allem bei Tieren, die in Gefangenschaft aufgewachsen sind und keine Gelegenheit hatten, andere Muttertiere beim Stillen ihrer Jungen zu beobachten – eine ähnliche Situation, in der sich auch viele menschliche Mütter beim erstmaligen Stillen befinden.

Mütter müssen also das Stillen lernen und das gilt auch für menschliche Babys.

Ja, Babys kommen mit einem Saugreflex auf die Welt. Studien zeigen auch, dass Neugeborene vom Duft der Brust ihrer Mutter angezogen werden. Aber, wie ich weiter unten anmerke, ist die Funktion der menschliche Brust kompliziert.

Die beste Art, Milch zu erhalten, ist nicht das direkte Saugen oder Zusammendrücken der Brustwarzen. Stattdessen müssen Babys Druck auf den Warzenhof ausüben und gleichzeitig müssen sie sich richtig festsaugen. Das erfordert Übung und du merkst wahrscheinlich, wenn dein Baby es falsch macht, da es weh tut.

Du musst allerdings auch nicht von einem Experten unterrichtet werden. Erfahrene Mütter und Laktationsexperten können dir zwar durchaus sehr weiterhelfen, genauso gut hilft aber auch das Ausprobieren. Wichtig ist jedoch, zu bedenken, dass das Stillen nicht von alleine geht.

2. Achte darauf, dass das Baby richtig angelegt wird

In den ersten Tagen des Stillens leiden Mütter oft unter wunden Brustwarzen. Sie können auch ein ziehendes, stechendes Gefühl beim Ablassen oder beim Ausstoßen der Milch verspüren. Sie sollten aber nicht jedes Mal Schmerzen haben, wenn das Baby anfängt zu trinken. Treten solche Schmerzen auf, ist das Baby wahrscheinlich nicht richtig angelegt. Andere Anzeichen für ein schlechtes Anlegen sind

  • Geräusche, wenn das Baby Luft schluckt
  • Grübchen oder eingezogene Wangen

Das Baby sollte mehr als nur die Brustwarze im Mund haben. Es sollte auch genügend Brustgewebe aufnehmen, so dass die Brustwarze weit hinten im Mund des Babys liegt und das Baby beim Stillen auf den Warzenhof drücken kann. Wie bereits erwähnt, ist dieser Druck auf den Warzenhof womöglich die wichtigste Kommponente für den erfolgreichen Milchfluss.

Hast du den Verdacht, dass dein Baby nicht richtig anlegt, kannst du es vorsichtig lösen (indem du deinen Finger in seinen Mund steckst, um das Saugen zu unterbrechen) und von vorne anfangen:

  • Kitzle die Seite des Mundes deines Babys, um den Öffnungsreflex zu stimulieren.
  • Wenn der Mund des Babys weit geöffnet ist, führe die Brust tief in den Mund des Babys ein, so dass die Brustwarze weit hinten liegt

3. Stille nach Bedarf, besonders während der Neugeborenenzeit

Um eine ausreichende Milchversorgung und ein zufriedenes Baby zu gewährleisten, stillst du dein Baby auf Verlangen und so lange, wie es Interesse zeigt. Lass dein Baby entscheiden, wann es die Brust wechseln möchte. Wenn du die Zeit, die dein Baby an der Brust verbringt, einschränkst, kann ihm die nahrhaftere, fettreichere Hintermilch entgehen, die mit weicheren, leeren Brüsten einhergeht.

4. Experimentiere mit verschiedenen Stillpositionen

Wenn man ans Stillen denkt, denkt man vielleicht an die „Wiege“, in der der Kopf des Babys in der Armbeuge der Mutter gehalten wird. Aber es gibt viele alternative Positionen zu dieser Haltung, von denen dein Baby einige vielleicht bevorzugt. Unterschiedliche Positionen können dir helfen, verstopfte Milchgänge und Brustentzündungen zu überwinden.

5. Achte auf verstopfte Milchkanäle und ergreife Maßnahmen zur Vorbeugung von Mastitis

Einer der vielen Milchkanäle kann verstopft werden, entweder an der Brustwarze oder tief in der Brust. Wenn das passiert, ist der Bereich wund oder schmerzhaft und du kannst normalerweise einen harten Knoten ertasten. Sobald sich der Bereich entzündet, spricht man von einer Mastitis, die von Fieber und grippeähnlichen Symptomen begleitet sein kann.

Wenn du glaubst, dass du eine Mastitis hast, solltest du deinen Arzt aufsuchen. In manchen Fällen entzündet sich die Stelle und muss sogar mit Antibiotika behandelt werden. Doch du kannst viel tun, um einer Mastitis vorzubeugen:

  • Wenn du einen verstopften Milchkanal oder eine Mastitis hast, solltest du nicht aufhören, zu stillen. Um gesund zu werden, musst die Brust entleert werden. Wenn du den Milchfluss unterbrichst, führt das zu einer Verstopfung und erhöht dein Risiko für Komplikationen.
  • Kümmere dich sofort um diese harten Knoten. Massiere oder drücke die Stelle, damit die Milch in Richtung deiner Brustwarze fließt. Manche Frauen neigen zu häufigeren Verhärtungen. Mit Wachsamkeit können diese behandelt werden, bevor sie Krankheiten verursachen.
  • Wenn du merkst, dass ein Bereich deiner Brust nach dem Stillen regelmäßig nicht entleert wird, solltest du verschiedene Stillpositionen ausprobieren. Unterschiedliche Positionen stellen unterschiedliche Anforderungen an die Milchkanäle.
  • Sei vorsichtig mit der manuellen Milchpumpe. Eine Studie mit 946 stillenden Frauen ergab, dass die Verwendung einer manuellen Milchpumpe stark mit Mastitis zusammenhängt.

6. Glaube nicht, dass Stillen eine „Ganz oder gar nicht“-Angelegenheit ist

Viele Organisationen, darunter auch die Weltgesundheitsorganisation, empfehlen das ausschließliche Stillen in den ersten sechs Monaten. Manche Leute reden über das Stillen auch, als ob es eine „Ganz oder gar nicht“ Angelegenheit wäre? Doch ist es das?

Zahlreiche Studien legen nahe, dass Babys seltener an Magen-Darm-Infektionen erkranken, wenn sie sechs Monate oder länger ausschließlich gestillt werden. Auch Atemwegsinfektionen treten bei diesen Babys seltener auf. Es ist jedoch noch unklar, ob langes, ausschließliches Stillen besondere Vorteile in Bezug auf Wachstum, Intelligenz, Verhalten oder Körpergewicht im späteren Leben bietet. Vor allem dann, wenn dein Baby ansonsten gut ernährt ist.

So haben einige Forscher, die Babys über einen längeren Zeitraum hinweg beobachteten, einen mäßigen Zusammenhang zwischen dem ausschließlichen Stillen und dem IQ der Kinder festgestellt, mit größeren Auswirkungen für Kinder, die länger gestillt wurden. In anderen Fällen konnten die Forscher jedoch keine nennenswerten Unterschiede zwischen Voll- und Teilstillern feststellen. Stillen wurde mit einem kognitiven Vorteil in Verbindung gebracht, aber es gab keinen Effekt der Menge.

7. Denke über sicheres gemeinsames Schlafen nach

Während des Großteils der Menschheitsgeschichte und in den meisten Kulturen schliefen Babys immer in der Nähe ihrer Mütter. Möglicherweise fragst du dich, ob du durch gemeinsames Schlafen noch mehr Schlaf verlierst. Studien zeigen allerdings, dass Mütter, die das Bett mit ihren Babys teilen, mindestens genauso lange schlafen wie Mütter, die dies nicht tun. Viele Mütter empfinden das gemeinsame Schlafen als weniger störend, weil sie zum Stillen ihrer Babys nicht „aufstehen“ müssen.

Es gibt jedoch wichtige Sicherheitsfragen. Vor allem Betten, die im Westen entwickelt wurden, sind für Babys gefährlich: weiche Matratzen, loses Bettzeug und Ritzen, in die Babys fallen können. Und einige Menschen – wie Raucher oder Menschen, die sehr müde sind – sollten nicht auf derselben Matratze wie ein Baby schlafen.

Aus diesen Gründen empfehlen viele Forscher, dass Eltern ihre Babys in einem getrennten Bett schlafen lassen, zum Beispiel einem Beistellbett.

8. Erkenne, dass „die Nacht durchzuschlafen“ ein westliches Ideal ist

Einige Bücher oder Websites, die Tipps für stillende Mütter anbieten, scheinen zu suggerieren, dass es krankhaft ist, wenn ein Baby die Nacht nicht durchschläft. Auch wenn medizinische Gründe für den Schlafverlust verantwortlich sein können, sind kurze Schlafphasen sowohl für Erwachsene als auch für Babys normal.

Die westliche Kultur ist von dem Konzept angetan, 7-8 Stunden am Stück zu schlafen, und von Babys wird erwartet, dass sie sich innerhalb weniger Monate nach der Geburt diesem Muster anpassen. Dafür gibt es jedoch keine biologische Begründung. Selbst ältere Babys können höchstens 4-5 Stunden am Stück schlafen. Eltern, die behaupten, dass ihre Babys länger schlafen, wissen in der Regel nicht, dass ihre Babys nachts aufwachten.

Und interkulturelle Beweise deuten stark darauf hin, dass die Idee, die Nacht durchzuschlafen – für Erwachsene oder Babys – eine westliche Besonderheit ist. In nicht westlichen Kulturen schlafen die Menschen in kürzeren Abschnitten und sind weniger streng, was den Zeitpunkt des Schlafs angeht.

Obwohl dieses Wissen nicht alle Schlafprobleme löst, hilft es womöglich, zu erkennen, dass mit dir oder deinem Baby alles im grünen Bereich ist, wenn ihr nicht wie ein Murmeltier schlaft. Tatsächlich erhöhen lange Tiefschlafphasen das Risiko für SIDS („plötzlicher Kindstod“) bei Babys. Da sich westliche Forscher der anthropologischen Beweise bewusst werden, überdenken sie allmählich ihre Vorstellungen von Schlafstörungen.

9. Erheblicher Schlafmangel? Erwäge, gelegentlich mit dem Fläschchen zu füttern

Solltest du das Angebot einer Freundin annehmen, auf dein Kind aufzupassen (und es mit dem Fläschchen füttern zu lassen), während du ein langes Nickerchen machst? Laktationsexperten raten frischgebackenen Müttern davon ab, ihr Baby in den ersten 3-4 Wochen mit der Flasche zu füttern. Sie befürchten, dass die ergänzende Nahrung zu einer verringerten Milchproduktion führt und das erfolgreiche Stillen auf Dauer gefährdet. Manche Fachkräfte machen sich auch Sorgen über „Saugverwirrung“ – die Vorstellung, dass sich Babys an die unkomplizierte Art, Milch aus der Flasche zu trinken, gewöhnen und später die anspruchsvollere menschliche Brust verweigern.

Mütter sollten diese Risiken jedoch gegen die Risiken eines massiven Schlafmangels abwägen. Eltern, die unter Schlafmangel leiden, sind anfälliger für Unfälle und haben ein höheres Risiko, eine Wochenbettdepression zu entwickeln. Eine gelegentliche Stillpause von 3-4 Stunden wird den Erfolg des Stillens kaum gefährden und kann sogar wichtige Vorteile haben.

10. Wenn du eine Milchpumpe hast, nutze sie sinnvoll

Die Milchpumpe ist ein wichtiges Hilfsmittel für stillende Frauen, die mehrere Stunden von ihren Babys getrennt sind. Leider kann das Abpumpen jedoch den natürlichen Abstimmungsprozess zwischen Mutter und Baby stören.

Zu häufiges Abpumpen kann zu einer Überproduktion von Milch führen, was schmerzhafte, geschwollene Brüste, verstopfte Milchkanäle und Entzündungen zur Folge haben kann. Außerdem könnte die Milch schneller fließen, als das Baby sie schlucken kann.

Ebenso wichtig ist, dass volle Brüste die Qualität deines Milchflusses beeinträchtigen können. Wenn die Brüste prall gefüllt sind, kommt fettarme „Vormilch“ heraus. Erst wenn die Brüste weich werden – also leerer sind -, beginnen sie, die fettreichere Hintermilch zu produzieren. Babys mit vollen Brüsten können sich mit fettarmer Milch sättigen, was zu Koliken und Magenproblemen führen kann. Solche Babys müssen möglicherweise auch häufiger trinken, um genügend Kalorien zu bekommen.

11. Mach dir keine Sorgen darüber, jeder Brust gleich viel Zeit beim Stillen zu widmen

Wenn dein Baby häufiger an einer Brust trinkt als an der anderen, entsteht eine gewisse Ungleichmäßigkeit in der Milchproduktion. Aber rate mal?! Du hast wahrscheinlich ohnehin schon eine gewisse Asymmetrie. Michael Woolridge und seine Kolleginnen und Kollegen haben Asymmetrien in der Milchproduktion bei Müttern gemessen, die keine „offensichtliche Einseitigkeit in der Nutzung der Brust“ haben.

Der Wunsch, die Brüste zu wechseln, könnte eine typisch westliche Eigenart sein. Die meisten Babys entwickeln eine Vorliebe für eine Brust und – in vielen Kulturen – ist es nicht ungewöhnlich, dass Babys bei jeder Stillmahlzeit nur von einer Brust trinken. Das kann die Fettaufnahme des Babys erhöhen.

12. Achte auf deinen Vitamin-D-Spiegel

Studien deuten darauf hin, dass die empfohlene Tagesdosis an Vitamin D für viele stillende Mütter nicht ausreicht, so dass ihre Babys an Vitamin-D-Mangel leiden können.

In einer Studie, in der sowohl Mütter als auch Säuglinge untersucht wurden, kamen die Verfasser/innen zu dem Schluss, dass „bei eingeschränkter Sonnenbestrahlung eine Zufuhr von 400 IE/Tag Vitamin D(3)“ bei Müttern „nur äußerst begrenzte Mengen an Vitamin D über die Muttermilch an das gestillte Baby liefert“.

Andere Studien haben ergeben, dass Ärzte den Vitamin-D-Mangel bei gestillten Babys beheben können, indem sie den Müttern viel höhere Mengen an Vitamin D verschreiben.

Die Schlussfolgerung? Du solltest dir keine hohen Mengen an Vitamin D zuführen, denn zu viel Vitamin D ist giftig. Dennoch solltest du deinen Vitamin-D-Spiegel mit deinem Arzt besprechen und dich behandeln lassen, wenn bei dir oder deinem Baby ein Mangel festgestellt wird.

13. Nimm gute Fette zu dir

Muttermilch ist die erste Babynahrung, aber wir dürfen nicht vergessen, dass sie sich im Rahmen einer paläolithischen Ernährung entwickelt hat.

Ernährungsumfragen bei Jägern und Sammlern auf der ganzen Welt sowie archäologische Funde deuten darauf hin, dass unsere Vorfahren viel mehr pflanzliche Lebensmittel und viel magereres Fleisch aßen, als es für viele moderne Menschen typisch ist. Ihre Ernährung war cholesterin- und natriumarm und enthielt vor allem eine bestimmte Art von Fett. Anstatt große Mengen gesättigter Fette zu sich zu nehmen, aßen die Jäger und Sammler mehr mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFAs) wie Omega-3-Fettsäuren, die für die Entwicklung des Gehirns wichtig sind.

Es gibt Grund zur Annahme, dass sich diese Unterschiede in der Ernährung auch auf Babys auswirken. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass Babys, die von Müttern gestillt werden, die eine westliche Ernährung mit einem hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren zu sich nehmen, im späteren Leben eher zu einem hohen Cholesterinspiegel und Bluthochdruck neigen. Forscher vermuten, dass die Omega-3-Fettsäuren in der Muttermilch dazu beitragen können, das Ungleichgewicht der Fette in der Nahrung auszugleichen, das Babys während der Schwangerschaft erlebt haben. Eine gesunde Ernährung der Mutter, die mehr PUFAs und weniger gesättigte Fette enthält, kann daher für das Baby vorteilhaft sein.

Fischöle sind eine hervorragende Quelle für PUFAs. Da einige Fische jedoch mit gefährlich hohe Konzentrationen von Quecksilber enthalten, ist Vorsicht geboten, wenn es darum geht, welchen Fisch man isst.

14. Vermeide Koffein und Alkohol und überprüfe die Unbedenklichkeit von Medikamenten und pflanzlichen Arzneimitteln

Koffein kann dein Baby reizbar und schlaflos machen. Und entgegen dem Ammenmärchen vermindert Alkohol tatsächlich die Milchproduktion der Frau. Außerdem beeinträchtigt er die Fähigkeit des Babys, zu schlafen.

Viele Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel können über die Muttermilch zum Baby gelangen. Einige davon sind relativ sicher, andere nicht. Stillexperten und Kinderärzte können dich über die Sicherheitslage bestimmter Substanzen beraten.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/stillen-mama-saugling-kleinkind-7491221/

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