Egal, ob du es niedlich findest oder ob sie dich aufregt: Babysprache ist ein faszinierendes wissenschaftliches Phänomen. Auf der ganzen Welt benutzen Menschen ein spezielles sprachliches Ausdrucksmittel, wenn sie mit Kleinkindern sprechen. Diese „kindgerechte Sprache“ oder IDS(English: Infant-directed speech) zeichnet sich durch eine höhere Tonlage und einen melodischeren, gefühlsbetonten Klang aus.

Diese Aspekte ziehen die Aufmerksamkeit des Babys an und machen es ihm leichter, die emotionalen Absichten der Sprache zu erfassen.

Studien haben gezeigt, dass auch Erwachsene, die eine Fremdsprache hören, die Gefühle eines Sprechers oder einer Sprecherin besser verstehen können, wenn er oder sie in der Babysprache spricht.

Aber was ist mit der Sprachentwicklung? Hilft die Babysprache den Babys, sprechen zu lernen? Die Babysprache enthält viele Abwandlungen, die wie maßgeschneidert für den Sprachlernenden sind:

Sie ist langsamer, wiederholender und übertreibt oft bei der Aussprache von Vokalen. Außerdem sprechen Menschen, die IDS verwenden, eher in kürzeren, vereinfachten Sätzen. Untersuchungen deuten darauf hin, dass diese Veränderungen Babys helfen, mehrere wichtige Fähigkeiten zu entwickeln, darunter

  • die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Lauten zu unterscheiden
  • die Fähigkeit, Wörter in einem Redefluss voneinander abzugrenzen
  • die Fähigkeit, einzelne Sätze in einem Redefluss zu erkennen

Es ist sogar möglich, dass die unterschiedlichen Sprechweisen der Eltern einen Einfluss darauf haben, wie schnell ein Kind sprechen lernt.

Es gibt also viele Gründe, unsere Bedenken zu vergessen und mit dem IDS zu beginnen. Folgendes sind Beweise dafür.

Die Babysprache kann Babys helfen, sich auf ihre Muttersprache einzustellen

Wenn Menschen IDS verwenden, können sie die Aussprache von Vokallauten übermäßig artikulieren oder “ verlängern“. Erwachsene tun dasselbe, wenn sie mit Menschen anderer Herkunft sprechen, welche einen anderen Akzent haben.

Erleichtert diese übertriebene Betonung das Lernen von Sprachlauten? Wenn dem so ist, könnten wir vorhersagen, dass das Kind bei Untersuchungen zur Sprachwahrnehmung besser abschneiden müsste, je übertriebener die Mutter artikuliert.

Die Forscher/innen Huei-Mei Liu und Kollegen haben diese Theorie in einem Experiment mit Mandarin sprechenden Müttern und Kleinkindern in Taiwan getestet.

Den Babys (im Alter von 6 bis 12 Monaten) wurde ein Geräusch vorgespielt – ein chinesisches Wort in Mandarin, das immer wieder über einen Lautsprecher wiederholt wurde. Anschließend wechselten die Forscher zu einem anderen Wort, das sich nur durch einen einzigen Konsonanten unterschied (z. B. wie im deutschen von „Raum“ zu „Baum“). Erkannten die Babys den Unterschied, so drehten sie ihren Kopf in Richtung des Lautsprechers.

Anhand dieser Maßnahme bewerteten die Forscher die Fähigkeiten der Babys zur Wahrnehmung von Sprache in einer Reihe von 30 Versuchen. Außerdem zeichneten sie die kindbezogenen Sprachmuster der Mutter des Babys auf und analysierten sie.

Die Ergebnisse? Es gab einen starken Zusammenhang zwischen der mütterlichen Babysprache und den Fähigkeiten des Babys zur Sprachwahrnehmung.

Die Babys von Müttern, die dazu neigten, ihre Vokale zu “ strecken“, schnitten bei dem Test zur Sprachwahrnehmung besser ab.

Dieser Zusammenhang blieb auch dann noch bestehen, wenn die Forscher soziale Faktoren wie das Bildungsniveau und den Beruf der Eltern berücksichtigten.

Das beweist aber noch nicht zwingend, dass Babysprache Babys beim Erlernen von Sprachlauten hilft. Es ist durchaus möglich, dass ein noch unbekannter Zusammenhang zwischen der Klarheit der Babysprache und der Sprachwahrnehmung des Kindes besteht, wie z. B. eine vererbte Begabung, sowohl zu sprechen als auch Sprachlaute wahrzunehmen.

Zudem ist nicht klar, wie viele Menschen sich tatsächlich übertrieben artikulieren, wenn sie Babys ansprechen. Ein kürzlich durchgeführtes Experiment in Japan ergab, dass Mütter generell eher dazu neigten, sich etwas weniger deutlich auszudrücken, wenn sie mit ihren Babys sprachen.

Andere Forschungsergebnisse bestätigen die Annahme, dass überdeutliche Babysprache den Zuhörern hilft, sich auf die richtigen Sprachlaute einzustellen.

Ein Experiment, bei dem vom Computer generierte Sprache abgespielt wurde, ergab, dass Säuglinge unter 4 Monaten eine Veränderung in der zweiten Silbe eines dreisilbigen Wortes nur dann erkennen konnten, wenn die zweite Silbe in einer Sprache gesprochen wurde, die die hohe Tonlage, die Intensität und die gedehnte Aussprache der Babysprache nachahmte.

Forscherinnen und Forscher haben auch ein Computerprogramm verwendet, um zu testen, ob Babysprache das Erlernen von Vokalen erleichtert. Bart deBoer und Patricia Kuhl legten dem Programm Beispiele von Erwachsenen- und Babysprache vor und „baten“ es dann, bestimmte wichtige Vokallaute zu erkennen. Wurde das Programm nur mit Babysprache konfrontiert, waren seine Antworten genauer.

Babysprache erleichtert das Lernen von Wörtern

Babysprache erleichtert es wahrscheinlich, verschiedene Laute einer Sprache zu hören. Aber wie stellen Babys fest, aus welchen Lauten sich ein Wort zusammensetzt?

Das ist ein Problem für viele die eine neue Sprache lernen. Wenn Erwachsene miteinander sprechen, ist ihr schnelles, oft ungrammatisches Sprechen für jemanden, der kein Muttersprachler ist, schwer zu entschlüsseln. Wörter werden verschluckt und laufen ineinander über. Es ist schwer zu sagen, wo ein Wort aufhört und ein anderes beginnt.

Nehmen wir zum Beispiel den Satz „Mama ist glücklich“. Wenn er gesprochen wird, klingt er wie „mamaistglücklich“. Wo Grenzen sich die verschiedenen Wörter ab? Für jemanden, der kein Deutsch kann, gibt es viele Möglichkeiten, wie z. B.:

„Ma ma istglück lich“

„Mamaist glück lich“

„Ma ma istglücklich“

Wie also finden die Zuhörer die richtigen Wortgrenzen?

Eine Antwort ist, dass der Zuhörer viele Äußerungen hört und sein Gehirn schließlich bestimmte Strukturen erkennt. Es fällt zum Beispiel auf, dass die Laute „ist glück“ seltener gepaart werden als „glück lich“. So findet er oder sie heraus, dass „glücklich“ ein Wort ist und „istglück“ nicht.

8 Monate alte Babys schaffen das, indem sie sich viele Gespräche von Erwachsenen anhören. Das scheint aber eine große Herausforderung zu sein.

Ein Experiment mit etwas jüngeren Babys (6,5 bis 7,5 Monate alt) deutet darauf hin, dass die Worttrennung viel einfacher ist, wenn die Babys der Babysprache zugehört haben.

Außerdem scheint Babysprache auch Erwachsenen zu helfen. Als englischsprachigen Erwachsenen Aufnahmen von Mandarin-Chinesisch vorgespielt wurden, konnten sie neue Wörter leichter erkennen und lernen, wenn die Aufnahmen in Babysprache aufgenommen wurden.

Es scheint also, dass die Babysprache Eigenschaften hat, die es den Zuhörern leichter machen, die Grenzen zwischen den Wörtern zu erkennen. Doch was sind das für Eigenschaften?

In gewisser Weise hilft Babysprache, weil sie besonders viel Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Eine Reihe von Studien zeigt, dass Babys es bevorzugen, der Babysprache zuzuhören. Wenn Babys aufmerksamer sind, können sie möglicherweise die strukturellen Unterschiede der Sprache besser erkennen. Die erhöhte Aufmerksamkeit kann ihnen auch helfen, sich diese Strukturen besser zu merken.

In Einklang mit dieser Idee berichten Forscher/innen, dass Babysprache – begleitet von direktem Augenkontakt – eine besondere Wirkung auf das Gehirn hat.

Wenn Erwachsene in direktem Blickkontakt mit dem Säugling kommunizieren, steigt die Gehirnaktivität des Säuglings in den Regionen, die für die Verarbeitung von akustischen Signalen zuständig sind. Ähnliche Versuche mit normaler Sprache von Erwachsenen hatten keinen solchen Effekt.

Gezielte Babysprache weckt aber nicht nur das Interesse des Babys. Menschen, die IDS verwenden, tendieren dazu, ihre Worte zu wiederholen, was den Babys zusätzliche Gelegenheiten zum Hinhören und Lernen gibt.

Als Forscherinnen und Forscher die Entwicklung von 121 Säuglingen verfolgten, fanden sie heraus, dass die Neigung der Mutter, Worte häufig zu wiederholen, wenn das Baby 7 Monate alt ist, den Wortschatz ihres Kindes mit 24 Monaten voraussagen lässt.

Darüber hinaus ist IDS so strukturiert, dass es die Aufteilung der Sprache in Wörter wesentlich einfacher macht. Die kindliche Sprache ist langsamer und kennzeichnet die Abstände zwischen Sätzen mit längeren Pausen. Zudem betonen Sprecher/innen bestimmte Wörter besonders deutlich.

In englischsprachigen Ländern neigen Erwachsene, die Babys ansprechen, zum Beispiel dazu, ihren üblichen Satzbau zu ändern indem die Reihenfolge der Wörter so geändert wird, dass ein neues oder wichtiges Wort am Ende einer Äußerung steht.

Genauso verfahren wir, wenn wir Erwachsenen neue Fachbegriffe beibringen, denn das ist ein nützlicher Trick: In einer Studie konnten 15 Monate alte Babys neue Wörter besser erkennen, wenn diese Wörter am Ende einer Aussage vorkamen.

Kannst du deinem Kind also helfen, indem du besser in der Babysprache wirst?

Wie bereits erwähnt, ist das anhand von einfachen Zusammenhängen zwischen Eltern und Babys schwer zu beweisen. Eltern, die wirklich gut im IDS sind, sind vielleicht auch generell sprachlich begabt. Es ist nicht auszuschließen, dass Erbanlagen eine entscheidende Rolle bei der Sprachentwicklung der Kinder spielen.

Die Experimente, die wir uns angesehen haben, zeigen jedoch, dass gezielte Babysprache dazu beiträgt, dass Zuhörer/innen kurzfristig wesentliche Merkmale der Sprache wahrnehmen. Es ist sinnvoll anzunehmen, dass diese Merkmale einen dauerhaften, anhaltenden Einfluss auf die Sprachentwicklung haben.

Darüber hinaus gibt es Grund zu der Annahme, dass die Ausdruckskraft unserer Sprache dazu beiträgt, die Aufmerksamkeit eines Babys zu wecken – dies ist eine wichtige Voraussetzung zum Lernen.

In einem Experiment mit 4 Monate alten Babys fanden Peter Kaplan und seine Kollegen heraus, dass Babys das Foto eines unbekannten, lächelnden Gesichts mit einer unbekannten Stimme, die Babysprache spricht, assoziieren können. Doch es gab einen Haken:

Wenn es sich bei der Sprecherin um eine niedergeschlagene Frau handelte, war ihre Sprache gefühlslos und monotoner, und die Babys zeigten bei dieser Aufgabe keine nennenswerten Lernerfolge.

Peter Kaplan und seine Kollegen haben in letzter Zeit ähnliche Tests durchgeführt und dabei einen beunruhigenden Zusammenhang mit Wochenbettdepressionen festgestellt.

Sie testeten die Babys zweimal – im Alter von 4 und 12 Monaten – und stellten fest, dass die Wochenbettdepression der Mutter im Alter von 4 Monaten spätere Lernschwierigkeiten vorhersagte: 12 Monate alte Babys lernten die neue Verbindung von Gesicht und Stimme nicht, selbst wenn sich die psychische Gesundheit ihrer Mütter verbessert hatte.

Offenbar kann die Qualität der Babysprache einen Einfluss auf die Lernfähigkeit von Babys haben, und es ist wichtig, dass sie früh anfangen zu lernen. Frauen, die unter Wochenbettdepressionen leiden, haben nun einen weiteren Grund, sich um Unterstützung und Behandlung zu bemühen.

Es ist auch möglich, dass das Fehlen einer aussagekräftigen Babysprache zu Sprachverzögerungen bei manchen Kleinkindern führt. Studien deuten darauf hin, dass einige „Late Talker“ – definiert als Kleinkinder, die im Alter von 2 Jahren weniger als 50 Wörter in ihrem Wortschatz haben – nicht so viel ausdrucksstarke, Babyprache gehört haben wie normal entwickelte Kinder.

Forscher haben insbesondere festgestellt, dass Mütter von Late Talkern Stichwörter in einer leiseren Tonlage sprechen als Mütter von normal entwickelten Kindern.

Es ist wichtig bei der Beurteilung solcher Studien vorsichtig zu sein. Nur weil du einen Late Talker hast, heißt das nicht, dass du es versäumt hast, genug mit deinem Baby in Babysprache zu sprechen!

Dennoch gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass gezieltes Sprechen von Babysprache hilfreich ist. Ich glaube, wir können sie als eine wichtige Komponente einer einfühlsamen Erziehung in den ersten beiden Lebensjahren betrachten.

Bildquelle: https://www.pexels.com/de-de/foto/meer-dammerung-strand-liebe-3889805/

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