Die meisten Babys lernen zwischen 4 und 8 Monaten, sich selbstständig hinzusetzen. Der Prozess findet aber stufenweise statt und manche Babys machen schneller Fortschritte als andere. Wir können die Entwicklung der Motorik fördern, indem wir den Babys helfen, wichtige Muskeln zu entwickeln.

Wann können Babys sich im Sitzen selbst aufrichten? Eine einheitliche, generelle Antwort gibt es auf diese Frage nicht.

Weltweit hat ungefähr die Hälfte aller Babys im Alter von 6 Monaten gelernt, selbständig zu sitzen. Manche Babys erreichen diesen Meilenstein aber schon viel früher – nämlich mit 4 Monaten. Andere wiederum brauchen deutlich länger und können erst nach mindestens 8 Monaten sitzen.

Warum ist der Zeitpunkt so unterschiedlich?

Bis zu einem gewissen Grad hängt der Zeitpunkt von den Erbanlagen ab. Manche Babys werden zum Beispiel mit einer genetischen Neigung geboren, körperlich aktiver zu sein. Dadurch bekommen sie mehr Bewegung, wodurch sie neue motorische Fähigkeiten in einem schnelleren Tempo erlernen.

Es ist aber auch klar, dass die Umstände ebenfalls eine Rolle spielen. In einer Studie mit britischen Babys stellten Forscherinnen und Forscher beispielsweise fest, dass etwa die Hälfte der Unterschiede bezüglich des Zeitpunkts des Sitzens auf Unterschiede in der Umgebung zurückzuführen waren. Einige Kinder wuchsen in einer Umgebung auf, die eine frühere Entwicklung begünstigte.

Was ist also als normal zu betrachten? Und wann sollten sich Eltern über eine mögliche Entwicklungsverzögerung Sorgen machen?

Expert/innen empfehlen folgende Faustformel: Wenn dein Baby im Alter von 9 Monaten noch nicht angefangen hat sich aufzusetzen, solltest du mit deinem Arzt oder einer Ärztin sprechen. Dein Arzt oder die Ärztin kann dein Baby auf mögliche Ursachen untersuchen. Falls etwas nicht in Ordnung ist kann ein frühzeitiges Eingreifen deinem Baby dabei helfen, wieder auf die Beine zu kommen.

9 Monate ist aber nicht als besonderer Stichtag zu betrachten. Siehst du bei deinem Kind etwas, das dich stört und verunsichert, solltest du nicht bis zum 9. Monat warten um es beim Arzt abklären zu lassen.

Und falls dein Baby älter als 9 Monate ist? Dies bedeutet nicht unbedingt, dass dein Baby ein Entwicklungsproblem hat. Bei vielen Babys dauert es einfach länger, weil sie ihre persönlichen Eigenarten und Erlebnisse haben. Wie wir nachfolgend sehen werden, lernen Babys früher sich aufzusetzen, wenn sie mehr Gelegenheit zum Üben bekommen. Wir können viel dafür tun, um sie dabei zu unterstützen.

Warum liegt der Fokus also auf dem Alter von 9 Monaten? Und woher kommen diese ganzen anderen Werte? Woher wissen wir, was typisch bzw. normal ist?

Letztendlich stammen die Zahlen aus wissenschaftlichen Studien. Forscher/innen rekrutieren Familien mit Babys und verfolgen die Entwicklung im Laufe der Zeit. Die Eltern berichten, wann ihre Babys bestimmte motorische Meilensteine erreichen.

In einer Studie verfolgte die WHO zum Beispiel mehr als 1.100 Babys in sechs verschiedenen Ländern.

Jeden Monat fragten die Forscher/innen die Eltern nach der motorischen Entwicklung ihrer Babys. Nachdem alle Daten gesammelt worden waren, stellten die Forscher/innen fest, dass etwa 95 % der Babys im Alter von 4,3 Monaten bis 8 Monaten gelernt hatten, sich (ohne Hilfe) aufzusetzen. Etwa die Hälfte aller Babys in der Studie hatten bis zum Alter von 5,9 Monaten gelernt, sich selbstständig aufzusetzen.

Es sind also Zahlen wie diese, die Expert/innen verwenden, um zu sagen, was ein „normaler“ Erwartungswert ist. Es sind keine Zahlen, die uns sagen, was geschehen muss. Vielmehr handelt es sich um Werte, die uns sagen, was tatsächlich passiert ist – und zwar bei den Babys, die an einer spezifischen Studie teilgenommen haben.

Das Interessante dabei ist: Abhängig davon, wo wir hinschauen, können wir sehr verschiedene Zahlen erhalten.

Das „normale“ oder “ typische“ Alter für das Aufsitzen ist nicht in jedem Land dasselbe. Sie variiert. Manchmal sogar ziemlich drastisch. Und diese Unterschiede spiegeln das wider, was wir über die örtlichen Erziehungsmethoden wissen.

Um zu sehen, was ich meine, betrachten wir das westafrikanische Land Ghana. In Ghana warten Eltern nicht tatenlos darauf, dass ihre Babys mit neuen motorischen Fähigkeiten experimentieren! Beispielsweise benutzen die Betreuer/innen ihre Hände und stützende Gegenstände, um den Babys zu helfen, das Sitzen in einer aufrechten Position zu üben.
Das Fazit? In Ghana liegt das Durchschnittsalter für das Erlernen des selbstständigen Sitzens bei etwa 5,1 Monaten. Etwa 95 % der Babys in Ghana erreichen diesen Meilenstein im Alter zwischen 3,5 und 6,7 Monaten.

Schauen wir uns im Gegensatz dazu ein skandinavisches Land an – Norwegen. Die Eltern in Norwegen gehen bei der körperlichen Entwicklung ihrer Kinder in der Regel eher gelassen vor. Sie trainieren ihre Kinder nicht darin aufrecht zu sitzen und die Ergebnisse sind völlig anders:
In der Studie der WHO begann das durchschnittliche norwegische Baby erst mit etwa 7 Monaten, sich selbstständig aufzusetzen. Und etwa ein Drittel der Babys erreichte diesen Meilenstein erst im Alter von mindestens 8 Monaten.

Wenn wir also die Daten aus Ghana zur Beurteilung norwegischer Babys heranziehen würden, könnten wir denken, dass Norwegen von Entwicklungsproblemen geplagt ist. Schließlich liegt ein Drittel der norwegischen Babys außerhalb dessen, was im „normalen Bereichs in Ghana“ liegen würde.

Doch leiden diese Babys an einem medizinischen Problem? Sind sie durch eine Krankheit, eine körperliche Behinderung oder eine kognitive Störung beeinträchtigt?
Auf keinen Fall. Sie brauchen einfach länger, vermutlich, weil sie nicht die gleichen Gelegenheiten zum Üben und Entwickeln ihrer motorischen Fähigkeiten hatten.

Motorische Fähigkeiten bei Babys fördern

Wie kannst du also die motorische Entwicklung deines Babys fördern? Wie kannst du deinem Baby helfen, das Sitzen zu üben?

Der Schlüssel dazu ist, deinem Baby die richtige Art von körperlichen Aktivitäten zu bieten. Hierunter fallen Aktivitäten, die die aktuellen Fähigkeiten deines Babys hervorheben, es aber auch dazu ermutigen, diese zu erweitern. Wo kann man anfangen? Es ist hilfreich, die grundsätzliche Herausforderung zu verstehen, vor der dein Baby steht.

Um aufrecht zu sitzen, müssen Babys eine Art „Rumpfkontrolle“ entwickeln. Sie müssen ihre Rumpfmuskeln im Nacken, im Rumpf und in der Wirbelsäule stärken. Diese Kraft wird nach und nach in einer bestimmten Reihenfolge von oben nach unten aufgebaut:

  • Zuerst stärken sich die Nackenmuskeln.
  • Dann entwickeln sich stärkere Muskeln in der oberen (Brust-)Region des Rumpfes.
  • Wenn sich eine starke Brustmuskulatur entwickelt hat, beginnt der Aufbau der unteren Rumpfmuskulatur (Lendenwirbelbereich).

Viele Eltern scheinen eine gewisse Intuition für diese Reihenfolge zu haben. Du kannst es sehen, wenn du beobachtest wie andere Eltern ihre Babys aufrecht halten. Wenn ein Baby sehr jung und schwach ist, halten die Eltern es normalerweise an den Schultern fest. Sobald das Baby jedoch stärker wird, stützen die Eltern es am oberen oder mittleren Rücken. Sobald das Baby fast selbstständig sitzen kann, legen die Eltern ihre Hände um den unteren Rücken oder die Hüften.

Wenn du also auf das Schwanken deines Babys achtest, bekommst du schnell ein Gefühl dafür, wo dein Baby sich in der Reihenfolge befindet. Du bekommst ein Gefühl dafür, welche Muskeln bereits kräftig sind und welche Muskeln noch trainiert werden müssen.

Hier sind einige Dinge, die du in jeder Phase der Entwicklung tun kannst.

6 Tipps, um Babys das aufrechte Sitzen beizubringen

1. Hilf deinem Baby eine starke Nackenmuskulatur durch „Bauchzeit“ zu entwickeln.

Expert/innen raten dringend dazu, Babys zum Schlafen auf den Rücken zu legen. Diese Taktik verringert das Risiko von plötzlichem Kindstod. Wenn Babys aber wach und aufmerksam sind profitieren sie von beaufsichtigten Bauchzeiten, vor allem, wenn ihre Bezugspersonen dies zu einer spaßigen, geselligen Angelegenheit machen.

Eine solche „Bauchzeit“ kann die Entwicklung bestimmter motorischer Fähigkeiten wie das Krabbeln beschleunigen. Da die Bauchzeit Babys die Möglichkeit gibt, ihre Muskeln besser zu kontrollieren und ihren Nacken zu stärken, kann sie ihnen helfen, sich auf das selbstständige Sitzen vorzubereiten.

Liegt dein Baby ungern auf dem Boden? Versuche alternativ, dich hinzulegen und dein Baby auf deine Brust zu legen.

2. Hilf deinem Baby, die Rumpfmuskulatur zu stärken, indem du es öfter auf den Bauch legst und ihm Gelegenheit gibst, sich umzudrehen.

Das Umdrehen ist ein weiterer motorischer Meilenstein, dessen Zeitpunkt sehr unterschiedlich sein kann: Manche Babys können das schon bevor sie 3 Monate alt sind. Bei anderen kann es 6 Monate dauern.

Doch egal, wann es passiert, es ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg zum Sitzen. Denn durch das Herumrollen wird eine starke Rumpfmuskulatur aufgebaut, die Babys brauchen, um sich in einer aufrechten Position zu halten.

3. Gib deinem Baby einen Eindruck davon, wie es sich anfühlt, sich hinzusetzen.

Dies ist eine typische Methode in Kulturen, in denen die Eltern die motorische Entwicklung aktiv fördern. Neugeborene werden nicht nur gewiegt und getragen. Sie werden auch in aufrechter Sitzposition auf den Schoß ihrer Bezugspersonen gelegt. Der Erwachsene hält das Baby fest und wird so zu einer Art lebendigem Stuhl, an den sich das Baby anlehnen kann.

4. Verfügt dein Baby über die nötige Kraft, um seinen eigenen Kopf zu stützen? Kann es den oberen Rückenbereich aufrecht und ruhig halten? Dann ist dein Baby vielleicht bereit für kurze, beaufsichtigte Sitzversuche auf dem Boden.

Möchtest du eine weitere Strategie aus fördernden Kulturen ausprobieren? Versuche, dein Baby auf den Boden zu setzen, wobei Möbel, Kissen oder andere Hilfsmittel dein Baby stützen damit es nicht umkippt.

In diesem Fall sollte dein Baby bereits über eine starke Nackenmuskulatur verfügen und du solltest merken, dass es beginnt, die Kontrolle über den oberen Brustbereich zu entwickeln (siehe oben). Denke auch daran, dein Baby nicht alleine zu lassen. Ihr müsst das gemeinsam tun. Zu Beginn sollten diese Trainingseinheiten nur sehr kurz sein.

Dein Baby lernt, mit der Schwerkraft umzugehen, und lernt, jedem kleinen Ziehen und Schwanken entgegenzuwirken. Um sich aufrecht zu halten, muss die Anspannung vieler verschiedener Muskeln gleichzeitig angepasst werden. Das ist eine ziemliche Herausforderung!

Wenn sich dein Baby also von seinen Stützen wegbewegt, ist es kein Wunder, wenn es nur ein paar Sekunden am Stück aufrecht sitzen kann. Doch diese Momente – so kurz sie auch sein mögen – sind lang genug, um einen großen Einfluss zu haben. Mit einiger Übung wird dein Baby mehr Kraft in der Brust- und Lendenmuskulatur entwickeln und in der Lage sein, längere Zeit gestützt zu sitzen.

5. Achte auf das „Tripod-Sitzen“ – eine frühe Phase des Aufstehens, in der dein Baby seine Arme benutzt, um sich abzustützen.

Jetzt wird die „Bauchzeit“ besser als „Bodenzeit“ bezeichnet, denn dein Baby ist in der Lage, sich selbständig aufzusetzen – zumindest für eine kurze Zeit. Am Anfang sieht die Haltung deines Babys wahrscheinlich eher gekrümmt oder nach vorne gebeugt aus und dein Baby benötigt möglicherweise beide Hände auf dem Boden, um aufrecht zu bleiben.

Doch dein Baby wird beginnen, eine Hand zu heben, und langsam lernen, sein Gleichgewicht zu halten. Du kannst diesen Prozess fördern, indem du mit deinem Baby spielst und ihm interessante Gegenstände zum Halten anbietest. Und das bringt uns zu meinem letzten Tipp…

6. Verstehe, wie sich die Welt deines Babys verändert. Sei bereit, deinem Baby neue Lernmöglichkeiten zu bieten!

Sich ohne Unterstützung aufzusetzen ist mehr als ein motorischer Meilenstein. Es ist auch der Auslöser für neue Erfahrungen in der Umgebung – Erfahrungen, die deinem Kind einen kognitiven Schub geben können.

Wenn Babys sich aufsetzen können, ohne ihre Hände zu gebrauchen, um ihr Gleichgewicht zu halten, ist es für sie einfacher, nach Gegenständen zu greifen. Es ist jetzt auch einfacher für sie, Gegenstände zu manipulieren und visuell zu untersuchen. Das hilft ihnen, etwas über diese Gegenstände zu lernen.

Wahrscheinlich hilft das Sitzen Babys auch beim Erlernen der Sprache. Es ist nun einfacher für sie, Augenkontakt herzustellen und das kann zu mehr Gesprächen mit Augenkontakt zu ihren Bezugspersonen führen. Sie kommen so mit mehr Worten in Berührung und lernen schneller neue Begriffe.

Sei also bereit, deinem Baby die stimulierenden sozialen und kognitiven Vorteile des Sitzens näher zu bringen. Lass dein Baby nicht allein auf dem Hochstuhl sitzen, wenn es nichts zu tun hat. Ermutige dein Baby, zu erkunden, zu beobachten, zu kommunizieren und zu lernen.

Bildquelle: https://unsplash.com/photos/p8kYzEaSzWs

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