Säuglinge mit Koliken weinen übermäßig und untröstlich. Warum ist das so? Auf diese Frage gibt es viele mögliche Antworten. Früher nahm man an, dass Koliken durch Bauchschmerzen verursacht werden. Aber dieser Zusammenhang ließ sich nicht nachweisen, so dass viele Forscher/innen den Begriff Kolik ohne Bezug auf die Ursache verwendet haben. Tatsächlich haben manche behauptet, dass es bei Koliken weder um Schmerzen noch um ein körperliches Leid geht.

Es gibt jedoch deutliche Hinweise darauf, dass zumindest einige kolikartige Babys an heilbaren Krankheiten leiden. Möglicherweise weinen die meisten Babys mit Koliken auch, weil ihre Gehirnchemie von der Norm abweichend ist – wodurch sie leichter aufgebracht und weniger leicht beruhigt werden können.

In diesem Artikel gehe ich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die körperlichen Ursachen von Koliken ein. Aber bitte denke daran:

  • Der Artikel ist nicht als medizinischer Rat gedacht und ersetzt keine professionelle medizinische Versorgung.
  • Diese Informationen sind nicht als Befürwortung einer bestimmten Art von Behandlung oder Medikamenten gedacht.

Es ist sehr riskant, Babys ohne ärztliche Aufsicht Arzneimittel, pflanzliche Präparate oder andere Medikamente zu verabreichen.

Dieser Beitrag soll Eltern, die wissenschaftlich interessiert sind, helfen zu verstehen,

  • warum es sich lohnt, dein kolikartiges Baby von einem Arzt oder einer Ärztin untersuchen zu lassen, auch wenn es gesund scheint und gut wächst, und
  • weshalb Eltern weder sich selbst noch ihren Babys die Schuld für Koliken geben sollten.

Es gibt Beweise dafür, dass die Art der Fürsorge einen Einfluss darauf haben kann, wie häufig ein Baby weint. Dennoch gibt es viele Eltern, die sich bemühen, alles richtig zu machen und trotzdem mit Koliken zu kämpfen haben.

Die Ursachen von Koliken: Ein Blick auf das Risiko einer Erkrankung

Einige Forscherinnen und Forscher haben herausgefunden, dass weniger als 5 % der Koliken durch Krankheiten verursacht werden. Die Daten hängen jedoch davon ab, welche Kriterien du zur Definition von Koliken verwendest. Gehören zu den Kriterien Schmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden, können eher Krankheiten die Ursache sein.

Bei einer Studie zogen die Forscher/innen zum Beispiel Kriterien wie Durchfall und Krämpfe in Betracht. Sie fanden heraus, dass fast 45 % dieser kolikartigen Babys positiv auf die Behandlung einer vorübergehenden Laktoseintoleranz reagierten.

Offenbar stehen schwere Koliken im Säuglingsalter auch im Zusammenhang mit späteren gesundheitlichen Problemen. In einer Studie verfolgten die Forscher/innen Babys mit schweren Koliken. Nach zehn Jahren hatten diese Kinder häufiger als andere wiederholt Bauchschmerzen und/oder Allergien. Möglicherweise sind einige Koliken lediglich eine frühe Manifestation langfristiger Gesundheitsprobleme.

Falls dein Baby also Koliken hat, ist es wichtig, es auf gesundheitliche Probleme untersuchen zu lassen. Eine Vielzahl von Krankheiten kann Koliksymptome hervorrufen, darunter Kuhmilchproteinintoleranz, die schlechte Aufnahme von Kohlenhydraten, Migräne bei Säuglingen und Sodbrennen. Im Folgenden erläutere ich die Einzelheiten.

Kuhmilchproteinintoleranz als Ursache

Eine der häufigsten medizinischen Ursachen für Koliken ist die Kuhmilchproteinintoleranz. Diese Erkrankung kann Babys betreffen, die Säuglingsnahrung trinken, welche Kuhmilch enthält. Sie kann auch Babys betreffen, die gestillt werden und deren Mütter Milchprodukte konsumieren.

Die Lösung dieses Problems liegt auf der Hand: Streiche die Kuhmilch aus deiner Ernährung.

In einer randomisierten Doppelblindstudie wurden Babys, die an Koliken litten, mit Kuhmilch gefüttert und erhielten Milchprodukte. Die zweite Gruppe von Babys, die unter Koliken litten, wurde mit stark hydrolysierter Molke gefüttert. Nach einer Woche weinten die Babys, die ausschließlich hydrolisierte Molke erhielten, jeden Tag etwa eine Stunde weniger.

Versuche, bei denen Caseinhydrolysat-Nahrung verwendet wurde, wiesen ebenfalls auf weniger Koliksymptome hin.

Schlechte Aufnahme von Kohlenhydraten

Das Protein der Kuhmilch ist nicht die einzige Zutat, mit der Babys Probleme bei der Verdauung haben können. In einem faszinierenden Doppelblindversuch wurde 5 Monate alten Säuglingen eine von zwei Saftsorten gegeben –

  • Apfelsaft (der viel Sorbitol enthielt und ein hohes Verhältnis von Fruktose zu Saccharose hatte) und
  • weißer Traubensaft (der kein Sorbitol und ein niedriges Verhältnis von Fruktose zu Saccharose enthielt).

Anschließend maßen die Forscher/innen, wie viel Wasserstoff die Babys beim Ausatmen ausschieden, was ein Indikator für die schlechte Aufnahme von Kohlenhydraten ist. Die Forscher/innen entdeckten, dass einige Babys, die in ihrer früheren Kindheit unter Koliken gelitten hatten, nachdem sie den Apfelsaft getrunken hatten, Anzeichen einer Kohlenhydrat-Malabsorption aufwiesen. Kurz nachdem sie den Apfelsaft getrunken hatten, weinten diese Babys zudem vermehrt und schliefen weniger.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass einige Säuglinge mit Koliken Probleme bei der Aufnahme von Kohlenhydraten haben könnten.

Ist vorübergehende Laktoseintoleranz eine der Ursachen für Koliken?

Es gibt überzeugende Beweise dafür, dass manche Babys an einer vorübergehenden Unverträglichkeit gegenüber Laktose, sprich Milchzucker, leiden. Eine vorübergehende Laktoseintoleranz wird in der Regel durch akuten Durchfall verursacht, welcher die Schleimhaut der Darmwand schädigt. Sie kann auch durch Unterernährung und Mukoviszidose verursacht werden.

Leidet dein Baby an einer vorübergehenden Laktoseintoleranz, wird sich dein Arzt wahrscheinlich auf die Behandlung der Ursache (z. B. des Durchfalls) konzentrieren. Die Darmschleimhaut wird heilen und die Beschwerden sollten sich innerhalb von ein paar Wochen verbessern. Es lohnt sich vermutlich nicht, dein Baby auf eine laktosefreie Nahrung umzustellen. Und Babys mit vorübergehender Laktoseintoleranz sollten weiter gestillt werden.

Aber dein Arzt oder deine Ärztin kann dir auch Babytropfen verschreiben, die Laktase enthalten, das Enzym, das Laktose in einfachen Zucker umwandelt.

Säuglingsmigräne

Diese Erkrankung ist relativ selten. Außerdem ist sie schwer zu erkennen, denn viele der Anzeichen für Migräne gleichen den Anzeichen für andere Krankheiten oder gar Müdigkeit: sporadisches Halten des Kopfes, Kopfneigen, Ziehen an den Haaren oder Ohren, Weinen, Reizbarkeit, Erbrechen oder Blässe. Im Falle von Migräne bessern sich diese Symptome normalerweise nach einem kurzen Nickerchen (Barlow 1994).

Kann die Migräne bei Babys eine der Ursachen für Koliken sein – wenigstens bei einigen Säuglingen? Es scheint sehr gut möglich.

In der Fachliteratur wird über einen Fall berichtet, bei dem sich die Symptome einer Kolik nach einer Behandlung der Migräne erheblich verbessert haben. Es gibt auch Studien, die einen Zusammenhang zwischen Koliken und Migräne nachweisen – d.h. Kontrollstudien, bei denen Forscher/innen Kinder, die an Migräne leiden, einer Kontrollgruppe ähnlicher, aber migränefreier Kinder gegenüberstellten. In einer Studie fanden die Forscher heraus, dass Kinder mit Migräne viermal so oft an Koliken litten, wie Säuglinge.

Bei einer anderen Studie an 154 Müttern mit Babys war die Wahrscheinlichkeit von Koliken bei Babys, deren Mütter unter Migräne litten, 2,6-mal so hoch.

Selbstverständlich sollten Eltern, die sich wegen Migräne sorgen machen, einen Kinderarzt aufsuchen. Zudem sollten sie ihren Babys keine Medikamente geben, die nicht ausdrücklich von einem Arzt oder einer Ärztin verschrieben worden sind.

GERD (gastroösophageale Refluxkrankheit)

Gelegentlich öffnen sich die Schließmuskeln am unteren Ende der Speiseröhre und lassen den Mageninhalt (Gas, teilweise verdaute Nahrung oder Säure) wieder in die Speiseröhre gelangen. Das ist der Grund, warum Babys rülpsen und (manchmal) spucken. Das ist auch die Ursache für Sodbrennen oder Säurerückfluss.

Bei schweren und chronischen Fällen spricht man von GERD (gastroösophageale Refluxkrankheit). Es ist nicht überraschend, dass GERD schmerzhaft ist und Babys zum Weinen bringt. Zu den Symptomen von GERD bei Babys gehören häufiges Erbrechen, häufiger Schluckauf, Schluckbeschwerden und Reizbarkeit beim Stillen. Die Babys können Schmerzen in der Speiseröhre sowie im Brustbein- und Bauchbereich haben.

Falls du den Verdacht hast, dass dein Baby GERD hat, wende dich an deinen Kinderarzt oder deine Kinderärztin.

Weitere Ursachen für Koliken, die Unterleibsschmerzen auslösen können

Laktoseintoleranz und Kuhmilchproteinintoleranz sind nicht die einzigen Erkrankungen, die schmerzhafte Koliken verursachen können. Hier sind einige andere.

Ist erhöhte Aktivität im Magen-Darm-Trakt eine der Ursachen für Koliken?

Eine Reihe von Studien deutet darauf hin, dass Babys mit Koliken einen höheren Serum-Motilin-Spiegel aufweisen, ein Hormon, das Aktivität oder Krämpfe im Magen-Darm-Trakt anregt. Diese Babys können auch einen erhöhten Ghrelin-Spiegel haben, ein Hormon, das den Appetit anregt.

Möglicherweise hängt eine der Ursachen für kolikartige Schmerzen auch mit dem Serotonin- und Melatoninspiegel zusammen. Serotonin verstärkt die Aktivität im Darm, Melatonin unterdrückt sie. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen ist der Serotonin- und Melatoninspiegel abends am höchsten.

Bei Babys ist das anders. Bei ihnen erreicht der Serotonin-Spiegel am Abend seinen Höhepunkt, der Melatonin-Spiegel jedoch nicht. Infolgedessen gibt es nicht genug Melatonin, um dem Serotonin entgegenzuwirken und die Babys können mehr Krämpfe haben. Dies erklärt, warum Koliken in der Regel nach dem dritten Lebensmonat verschwinden. Zu diesem Zeitpunkt entwickelt sich der natürliche Rhythmus des Melatoninspiegels.

Entzündung des Darms

Babys mit Koliken haben möglicherweise auch häufiger Darmentzündungen. In einer anderen Studie über den Stuhlgang von Babys fanden Forscher/innen heraus, dass kolikartige Babys höhere Werte von fäkalem Calprotectin aufwiesen, einem Anzeichen für eine Entzündung des Darms.

Helicobacter pylori

In einer aktuellen Studie, in der Babys mit Koliken mit gesunden Babys verglichen wurden, wurden 82 % der 55 kolikkranken Babys positiv auf das Bakterium Helicobacter pylori getestet – einem Erreger, der bei Erwachsenen Magenschmerzen und Magengeschwüre verursacht. Bei den Babys in der Kontrollgruppe waren nur 23 % mit H. pylori infiziert.

Unausgewogene Darmflora als Ursache?

Neben anderen Problemen haben Babys mit Koliken eventuell mehr gasbildende Bakterien in ihrem Verdauungstrakt. In einer Studie untersuchten Forscherinnen und Forscher den Stuhl von kolikartigen Babys und verglichen ihn mit dem von normalen Säuglingen. Im Stuhl der kolikartigen Babys gab es eine höhere Anzahl von E. coli Bakterien.

Die Abweichungen in der Darmflora deuten darauf hin, dass Babys mit Koliken von Probiotika profitieren könnten – „freundlichen“ Bakterien, die den Verdauungstrakt besiedeln und Entzündungen im Darm lindern können. Das scheint tatsächlich der Fall zu sein.

Behandlungen mit Probiotika

In einer randomisierten Studie mit kolikartigen, gestillten Babys haben Savino und Kolleg/innen einige Babys mit dem probiotischen Lactobacillus reuteri und andere mit Simeticon behandelt.

Nach 28 Tagen weinten 95 % der Babys, die Probiotika erhielten, weniger (durchschnittlich sank die Dauer des weinens von 159 Minuten/Tag auf 51 Minuten/Tag). Im Gegensatz dazu wiesen nur 7% der Babys, die mit Simeticon behandelt wurden, eine Verringerung der Länge des Weinens auf.

Man könnte sich wundern, ob die Forscher/innen bei der Auswahl der Babys, die bereits Anzeichen einer Verdauungsstörung aufwiesen, nur die gewählt haben, die für die Studie von Vorteil wären. Dem war nicht so. Bei der Auswahl der Teilnehmer schloss das Team von Savino alle Babys aus, die Anzeichen von chronischen Krankheiten oder Magen-Darm-Störungen aufwiesen.

In einer neueren, randomisierten Doppelblindstudie mit 80 kolikartigen Säuglingen wurden die Symptome bei Säuglingen, die L. reuteri erhielten, ebenfalls reduziert.

Sind Probiotika einen Versuch wert? Vielleicht. Frage aber zuerst deinen Kinderarzt oder deine Kinderärztin. Bei manchen Menschen – zum Beispiel bei solchen mit geschwächtem Immunsystem – könnten Probiotika gefährlich sein. Außerdem variiert die Qualität der frei verkäuflichen Probiotika stark und verschiedene Arten oder Stämme von Probiotika wirken unterschiedlich.

Und was ist mit dem Gehirn? Haben kolikartige Babys eine veränderte Neurochemie?

Egal, ob dein Baby an einer Krankheit leidet, die es zum Weinen bringt oder nicht, es kann auch sein, dass es schlichtweg anders ist. Die Forschung legt nahe, dass Babys mit Koliken möglicherweise anders auf Reize reagieren. Dieselben Dinge, die anderen Babys nichts ausmachen – wie zum Beispiel das Wickeln oder Berühren – regen kolikartige Babys sehr auf. Außerdem scheint es, dass kolikartige Säuglinge anders auf vermeintlich besänftigende Reize – wie süße Aromen – reagieren.

Bildquelle: https://www.freepik.com/free-photo/unhappy-little-infant-girl-boy-crying-bouncer-chair_14475038.htm

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